Es gibt ein Wort, dass ich einfach nicht mehr hören kann. Es ist der Begriff „ABLONGEREN„. Vor allem wie unter diesem Wort buchstäblich mit Pferden gearbeitet wird.
Glücklicherweise nicht überall, aber so verbreitet, dass es weh tut, ist der Zugang zum Longieren als Mittel, überschüssige Energie im Pferd abzubauen. (Lebens-)Energie verheizen ist da noch die treffendere Formulierung – und das auf phyischer und psychischer Ebene.
Tut mir sehr leid, dass ich an dieser Stelle wirklich einen Kraftausdruck verwenden muss, aber das ist wirklich absolurter Bullshit.
Mangels an Wissen und Erfahrung bis in den reiterlichen Profibereich hinein hat der oder die durchschnittliche Pferdebesitzer:in bei solchen Vorbildern auch kaum eine Chance etwas anderes zu lernen. Mehr oder weniger kann man beim Longieren immer wieder folgendes beobachten:
- Das Pferd wir in den Platz geführt – die Aufregung vor dem was kommt ist ihm schon ins Gesicht gezeichnet
- Es folgen – wenn es nicht ohnehin gleich wegstürmt – nur ein bis zwei Runden im Schritt
- Danach gleich antraben in hohem Tempo
- mehr oder weniger kontrolliert läuft oder buckelt das Pferd minutenlang dahin bis es schwitzt und dampft
- das ganze entweder formlos auseinander gefallen oder noch schlimmer: ohne jede Fachkenntnis zwanghaft ausgebunden
- Das Pferd hängt sich mit viel Gewicht in die Longe und reiten daneben für andere ist oft schwer, weil man nie weiß, ob nicht das Pferd von der Longe jederzeit losreißt
Wenn das Pferd dann „fertig zentrifugiert und durchgeschleudert“ ist, dann wird es entweder noch geritten oder gleich vom Schweiß dampfend und schwer pumpend in der Atmung zurück in den Stall geführt. Es hat sich ja jetzt bewegt und somit sei es gut.
Täglich das gleiche … täglich grüßt das Murmeltier….nichts wird besser…
Jeder Mensch, der sich auch nur im Entferntesten mit gesundem Sport auseinander setzt weiß, dass es nichts Schlechteres geben kann als in kaltem, unaufgewärmten Zustand wie wild herumzutoben und sich dabei in allen Variationen unkontrolliert zu verrenken. Sich vor dem eigentlichen Sport so zu verausgaben, dass nur mehr eine Restenergie für die eigentliche sportliche Tätigkeit übrig bleibt ist als wenn ein Rennfahrer vor dem Rennen in allen vier Reifen noch sicherheitshalber die Luft raus lässt. Das kann so nicht gesund sein und ist es auch nicht. Und trotzdem wird so gearbeitet.
Die Physiotherapeute sollen‘s dann wieder richten. Bei kaputten Gelenken stoßen aber auch sie an ihre Grenzen – zum großen Leid der Pferde.
Die einen finden das adäquat, notwendig und somit richtig. Man meint: ‚Longieren braucht man auch nicht zu lernen -das kann man‘. Alles andere wäre peinlich.
Viele kennen wegen schlechten Vorbildern im Umfeld nichts anderes, fühlen sich aber nicht wohl bei dem was sie tun. Euch kann ich sagen, dass euch euer Gefühl nicht betrügt.
Mit zwei gravierenden Irrtümern möchte ich hier aufräumen:
- Irrtum Nr.1: „Mein Pferd braucht das Austoben an der Longe. Das zeigt es mir ja jedes Mal“
- Irrtum Nr.2: „Wenn sich das Pferd nicht vor dem Reiten – besonders nach Stehzeiten – austoben kann, kann man es nicht sicher reiten“
Das Resultat sind dann Pferde, die es anscheinend den Besitzerinnen täglich beweisen. In Wahrheit passiert aber genau das Gegenteil. Von Beginn an lernen diese Pferde, das Longieren gleich „losrennen und ausbuckeln“ bedeutet. Was man als Eigenheit des Pferdes vermutet ist in wirklichkeit antrainiert!. Pferde stürmen nicht los, weil sie Enegie abbauen wollen, sondern weil sie gelernt haben: Longe = Stress
Das ist nichts weniger als die klare Verwechslung von Ursache und Wirkung! Und nur die muss man wieder umdrehen.
Wenn man jungen Pferden von der ersten Longeeinheit an zeigt, dass Longieren „in Ruhe zuerst Schritt, nach 10 Minuten lockeres Traben und nach und nach erst Arbeit mit höherem Energieeinsatz bedeutet, dann buckeln die nicht weg. Auch nicht nach mehreren Tagen ohne Training. Das kann man von Anfang an lernen. Gott sei Dank aber so gut wie immer aber auch umlernen, wenn es schon schief gelaufen ist. Der Schlüssel ist, unkontrolliertes Losstürmen “immer“ zu vermeiden. Das kann man, wenn man die Ursachen verstanden hat. Es kann nur sein, dass es manchmal länger dauert, bis es nachhaltig wirkt.
Longieren ist am Ende nichts anderes als Führen an langer Leine. Wenn es an der langen Leine noch nicht funktioniert, bleib nahe beim Pferd und verlängere die Distanz nur, wenn sich das Pferd sicher fühlt. Es ist immer besser das Pferd an der Hand eine halbe Stunde kontrolliert zu führen, als es über längere Zeit unkontrolliert buckeln zu lassen.
Zwischendurch kann das jederzeit kurz mal sein. Ein paar Freudensprünge zum Lockern sind immer OK. Aber lass dein Pferd nie länger weglaufen oder sich über länger Strecken ausbuckeln.
Was es braucht ist ein leicht erlenbares Minimum an Longiertechnik, Körperschprache und vor allem Pferdeberstand. Was es braucht ist ein Minimum an Fähigkeit ein Pferd lesen zu können, sowie ein Zielebild um „vorteilhaft“ von „ungesund“ unterscheiden zu können, was auch nicht so schwer zu lernen ist. Das kannst du bei uns in Seminaren oder mit unserem Online-Longierkurs lernen.
https://elopage.com/s/alexanderhof-dieonlineschule/athletischlongieren-1
Das tolle dabei ist, das dieser Ansatz der Beziehung zu unserem Pferd so wunderbar guttut, die Pferde dafür dankbar sind und gerne mitmachen. Sie fühlen instinktiv, dass es ihrem Wohlbefinden dient.
Ist doch wunderbar, oder? Und das beste ist: das ist nachhaltig.
Ich plädiere also dafür, diesen Begriff samt Methodik abzuschaffen. Nicht „AB-longiert“ (also energetisch nach unten) sondern „EIN-longiert“ im Sinne von „vorbereitet“ soll das Pferd werden. EIN-longieren soll zum Aufwärmen, Lockern und Lösen ohne Reitergewicht das Pferd auf gesunde Höchstleistung nachher unter dem Sattel vorbereiten.
Als weiteren Begriff verwenden wir „Athletisches Longieren“. Nach einer Lösephase stellt dies an der Longe auch aufgerichtetes und versammelndes Training ergänzend zum Reiten dar. Es ist eine Variation im athletischen Training. Sowohl das EINlongieren vor dem Reiten wie auch das Athletische Longieren sind nicht nur sportlich gesund, sondern sind vor allem psychisch wohltuend für Pferde. Beides ist keine inhaltliche Erfindung von uns. Es sind nur Begriffe die verdeutlichen sollen. Erfahrene Pferdemenschen, denen Pferde auch einen Wert dargestellt haben, wussten das seit Jahrhunderten.
Bei so vielen SchülerInnen stellt sich immer wieder riesige Dankbarkeit ein, wenn sie einen Weg gezeigt bekommen, der ganz offensichtlich dem Pferd und der Pferd-Mensch Beziehung guttut. Nachhaltig! Einen Satz den ich dabei oft höre ist: „Endlich habe ich einen Plan, endlich haber ich ein Ziel und die Mittel dazu.“
Ich hoffe dir mit diesen Zeilen Mut gemacht zu haben. Zumindest würde es mich freuen, Zweifel an der scheinbaren Notwendigkeit des Ablongierens geweckt zu haben. Ich wünsche dir weiter viel Freude beim Longieren!
–> Erfahre hier noch mehr über Athletisches Longieren –>
Alexander Kronsteiner
Alexanderhof